Luca Gianinazzi HC Lugano EHC Visp Interview

Luca Gianinazzi im Interview: Vom Spieler zum Coach mit Herz und Verstand

„Ich war der Kleinste – aber der Einzige, der dabeigeblieben ist.“
Ein Gespräch mit Luca Gianinazzi über Anfänge, Brüder und den Weg durch die Nachwuchsabteilung des HC Lugano

Für unser erstes Interview auf dem ABSHockey-Blog haben wir uns mit Luca Gianinazzi getroffen – einem Mann, der den HC Lugano nicht nur von klein auf kennt, sondern ihn in verschiedensten Rollen geprägt hat: als Spieler, als U20-Coach und sogar als Headcoach in der National League. Bei einem entspannten Kaffee haben wir mit ihm über seine ersten Schritte auf dem Eis gesprochen – und über eine Mutter, deren Plan nicht ganz so aufging wie gedacht.

Luca, wie hat bei dir alles angefangen?

„Ich habe mit drei Jahren angefangen – eigentlich wegen meiner Brüder. Teo und Marco sind sieben bzw. fünf Jahre älter und ich bin immer mit meiner Mutter mitgegangen, wenn sie sie ins Training gebracht hat. Allein zu Hause bleiben konnte ich ja noch nicht. Irgendwann hab ich angefangen zu nerven, weil ich auch spielen wollte. Meine Mutter hat dann gesagt: ‚Weisst du was, ich zieh dir jetzt einfach mal die Schlittschuhe an – du bist so klein, du bekommst sowieso Angst und willst dann nicht mehr.‘ Tja, das ging nach hinten los. Ich hab mich sofort ins Hockey verliebt – und war am Ende der Einzige von uns dreien, der dabeigeblieben ist.“

Von der Hockeyschule bis zu den Junioren – Gianinazzi hat die ganze Ausbildung beim HC Lugano durchlaufen. Eine echte Klubgeschichte, die dort begann, wo viele Hockeykarrieren ihren Anfang nehmen: mit einem kleinen Kind, das seinen grossen Brüdern nacheifert – und mit einer Mutter, die gar nicht wusste, was sie da eigentlich losgetreten hat.

„Damals war's noch Bambino, Piccolo und Moskito.“
Luca Gianinazzi über seine Juniorenzeit, das LNA-Debüt und die ersten Einsätze im Profi-Hockey

Luca, zu deiner Juniorenzeit gab’s die Altersklassen doch noch gar nicht als U13, U15, oder?

„Ganz genau. Wenn ich mich recht erinnere, lief das damals so: Bambino, Piccolo, Moskito, Mini, Novizi – und dann die Junioren. Für mich war das die Junioren-Elite, was heute der U20-Elite entspricht. Ich hab also die komplette Nachwuchszeit in Lugano durchgemacht – bis hoch zur U20.“

In seinem letzten Juniorenjahr stand Luca schon mit einem Bein im Profihockey.

„Ich durfte damals mit der LNA trainieren – also mit dem heutigen National-League-Team. Und als dann im Januar beim EHC Visp in der LNB (heute Swiss League) einige Verteidiger ausfielen, wurde ich für ein paar Wochen ausgeliehen und kam dort zu ein paar Einsätzen.“

Und auch für den HC Lugano durfte er in jener Saison erstmals aufs ganz grosse Eis.

„Ich hab damals mein LNA-Debüt gegeben und stand bei vier Spielen auf dem Matchblatt. Realistisch betrachtet waren’s vielleicht eineinhalb Spiele Eiszeit, aber offiziell sind’s eben vier Partien. Das war in der Saison 2012/13. Cheftrainer war Larry Huras – und sein Assistent damals: Patrick Fischer. Er wurde dann ein Jahr später Headcoach.“

„Ich dachte, ‚Tulle‘ heisst: Du hast Zeit. Es hiess aber: Du brennst!“
Luca Gianinazzi über Thurgau, eine mystische Finnland-Erfahrung – und ein Sprachmissverständnis, das wehtat.

Luca, wie ging’s nach der U20-Elite für dich weiter?

„Ich habe für eine Saison bei Thurgau unterschrieben. Anfangs hab ich nur wenig gespielt, dann immer mehr. Am Ende der Saison war noch unklar, ob ich verlängern würde – ich hatte mir zwar eine Rolle erarbeitet, aber sie war nicht wirklich gefestigt.“

Spannend: Einige seiner damaligen Mitspieler sieht man heute noch in der National League.

„Rajan Sataric und Leandro Profico spielen heute beide für Kloten in der NL. Auch mit Massimo Ronchetti und Benjamin Winkler habe ich zusammengespielt – letzterer ist jetzt Assistant Coach, ebenfalls bei Kloten. Als ich später Trainer wurde, bin ich also einigen Jungs wieder begegnet.“

Sein Ziel war klar: in der NLB bleiben. Einfach war das nicht.

„Ich erinnere mich, dass ich zwei Tage in Bülach trainiert habe, bei Thierry Paterlini – heute Headcoach bei Langnau. Ich habe mich umgeschaut und bin dann im August nach Finnland gereist, in die Mestis, die zweite Liga dort. Ich bin ohne Vertrag losgezogen und habe ein Tryout bei SaPko in Savonlinna gemacht.“

Savonlinna – das klingt idyllischer, als es für einen jungen Verteidiger mit Sprachbarriere war.

„Der Ort ist wunderschön – Inseln, Ferienhäuser, richtig guter Fisch. Aber in der Kabine wurde nur Finnisch gesprochen. Die erste Teamsitzung war eine 40-minütige Ansprache vom Coach. Ich hab kein Wort verstanden. Und Finnisch ist... sagen wir mal: nicht intuitiv.“

Dann kam der Moment, der bleibt:

„Wir hatten ein Testspiel, ich holte hinten den Puck, wollte den Spielaufbau starten, hörte meinen Goalie rufen: ‚Tulle! Tulle!‘ Ich dachte: cool, ich hab Zeit. In Wahrheit hiess das: ‚Feuer!‘ – also, dass ich brutal unter Druck bin. Kurz darauf hat’s gekracht. Ich hab gesagt, es fühlte sich an, als würde dich ein Zug mit 300 km/h überfahren.“

Gianinazzi wäre gern geblieben. Die Liga war offen für Ausländer, aber das Timing und die Finanzen passten nicht.

„Ich glaube, ich wäre der einzige Nicht-Finne in der ganzen Mestis gewesen. Leider hat’s mit dem Vertrag nicht geklappt – schade eigentlich, denn für mich war das eine fast schon mystische Zeit.“

„Mein Traum lebte – aber war noch nicht Realität.“
Luca Gianinazzi über das Kämpfen für einen Platz im Profihockey und eine bittere Erkenntnis nach der U20.

Luca, das war eine mutige Entscheidung, ohne Vertrag ins Ausland zu gehen. Hattest du damals das Bedürfnis, neue Erfahrungen zu machen – ausserhalb der Schweiz?

„Es war für mich ein Weg, meinen Traum zu verfolgen. Und mein Traum war mein Ziel – für mich war das dasselbe Wort. Ich wollte in der Schweiz in der National League spielen. Ich war jung, hatte bei Lugano in der U20 gespielt, regelmässig mit der NL-Mannschaft trainiert und viermal auf dem Spielblatt gestanden. Im Kopf war ich bereits NL-Spieler. Ich glaube, das geht heute vielen jungen Spielern ähnlich – und das ist völlig normal.“

Doch dann kam die Realität.

„Ich dachte, ich gehe nach Thurgau in die NLB, dominiere dort und komme mit dieser Erfahrung zurück nach Lugano. Aber – wie viele dominieren wirklich? Nicht viele. Denn das Niveau ist brutal hoch. Und plötzlich war ich sechster, siebter, manchmal achter Verteidiger. Da wurde mir klar: Jetzt beginnt der echte Kampf – der um eine Profikarriere.“

Genau mit dieser Einstellung machte er sich auf nach Finnland, in die Mestis.

„In der Schweiz kämpfte ich um Minuten in der NLB, und gleichzeitig schrumpfte die Zahl der B-Teams. Der Schritt ins Ausland war logisch – wenn auch alles andere als bequem.“

Wie ging’s dann weiter, als du aus Finnland zurückkamst?

„Ich fragte mich: Was jetzt? Die Antwort hiess: Morges, 1. Liga. Nicht gerade glamourös, aber der Verein hatte angekündigt, mit Lausanne eine Partnerschaft einzugehen und in die Serie B aufzusteigen. Für mich war das ein neuer Weg zu meinem Ziel.“

Doch auch dieser Plan verlief anders als erhofft.

„Die Kooperation mit Lausanne kam nie zustande. Ich spielte trotzdem die ganze Saison dort – mit einem coolen Team. Unter anderem mit Fabrice Eisenring, dem späteren Headcoach der Inlinehockey-Nati. Wir schafften’s bis ins Aufstiegsfinale, verloren aber gegen Sion.“

„Zwei Garderoben, ein Trainer – und ein Aufstieg.“
Luca Gianinazzi über seine Rückkehr ins Tessin, den Meistertitel mit Biasca und erste Zweifel am Profitraum.

Du bist danach zurück ins Tessin, stimmt’s?

„Ja, genau. Ich kam zurück und spielte in Biasca – ein Team, das gerade erst durch die Fusion mit Chiasso entstanden war. Das war im Prinzip der Startschuss für das, was später die Ticino Rockets werden sollten. Damals spielten wir noch 1. Liga – mit Luca Cereda als Headcoach.“

Und der hatte gleich doppelt zu tun.

„Luca trainierte nicht nur uns in Biasca, sondern gleichzeitig auch die U20 von Ambrì. Beide Teams trainierten in derselben Halle, in zwei Kabinen direkt nebeneinander. Also wirklich im Wortsinn: Tür an Tür.“

Das Team von Biasca spielte sich in dieser Saison bis ganz nach oben.

„Wir gewannen die Meisterschaft – im Finale gegen Dübendorf. Danach folgte ein Mini-Turnier mit den drei regionalen Meistern. Im Heimfinale gegen Thun holten wir uns den Gesamtsieg und damit auch den sportlichen Aufstieg in die LNB. Nicht nur auf dem Papier – wir hatten’s auf dem Eis geschafft.“

In der ersten Swiss-League-Saison der Ticino Rockets war Gianinazzi wieder mit dabei – wieder unter Cereda.

„Es war ein spezielles Jahr. Der Saisonstart war miserabel, aber wir steigerten uns und holten ein paar Achtungserfolge. Für mich persönlich war’s eine schwierige Saison – wenig Eiszeit, kaum Rhythmus. Gegen Ende spielte ich teilweise mit einer B-Lizenz in Bellinzona.“

Und dann kam der innere Wandel.

„In meinem zweiten Jahr in Biasca begann ich langsam, meinen Traum als Spieler loszulassen. Mir wurde klar: Ich werde kein NL-Spieler. Das war der Moment, wo ich mich ernsthaft gefragt habe, was ich eigentlich mit meinem Leben machen will.“

„Ich war kein Künstler auf dem Eis, aber ein harter Arbeiter.“
Luca Gianinazzi über seine Rolle als Verteidiger – und warum es nicht immer Spass machte, gegen ihn zu spielen.

Lass uns über deine Position sprechen. Warst du immer Verteidiger?

„Ja. Ich gehöre noch zur Generation: Wer gross und eher schlank ist, spielt automatisch in der Verteidigung. Ich war als Kind grösser als die anderen – und kein besonders starker Schlittschuhläufer. Das hat sich dann irgendwie ergeben.“

Was ihm auf dem Eis fehlte, glich er mit anderen Qualitäten aus.

„Ich war nie der eleganteste Läufer. Aber ich hatte ein gutes Spielverständnis, konnte mich gut ins System einfügen. Und ich war hart im Spiel – ein richtiger Schmied, wie man bei uns sagt. Vor dem eigenen Tor war ich kompromisslos. Ich glaube, es hat nicht wirklich Spass gemacht, gegen mich zu spielen.“

Ein Beleg dafür: seine Strafminuten.

„In meinem letzten U20-Jahr war ich der am häufigsten bestrafte Spieler der Liga. Aus heutiger Sicht würde ich als Trainer vermutlich die Stirn runzeln bei einem Spieler wie mir – zu viele Boxplay-Situationen. Aber damals war das auch ein Zeichen: Man spielt hart, steht für die Mannschaft ein. Es gab Energie, Respekt, Zusammenhalt. Das war wichtig – und ist es in gewisser Weise bis heute.“

„Plötzlich war ich Trainer – und es fühlte sich richtig an.“
Wie Luca Gianinazzi durch einen Anruf aus Lugano seinen neuen Weg fand.

Wie verlief der Übergang vom Spieler zum Coach?

„Nach meiner Zeit in Biasca habe ich beschlossen: Ich setze andere Prioritäten. Ich hatte die High School abgeschlossen, ein Diplom als Personal Trainer gemacht und neben dem Eishockey auch im Fitnessstudio gearbeitet – um meinen Traum zu finanzieren.“

Obwohl ihm die Arbeit gefiel, sah er sich nicht dauerhaft in dieser Rolle.

„Ich habe gern im Fitness gearbeitet, mit Leidenschaft. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, das mein Leben lang zu machen. Also dachte ich über ein Studium nach – Gesundheitswissenschaften in Zürich zum Beispiel. Vielleicht noch etwas erste Liga spielen, einfach, um dem Hockey verbunden zu bleiben.“

Doch dann kam ein Anruf, der alles veränderte.

„Krister Cantoni – den alle ‚Onkel‘ nennen – und Marco Werder von HCL meldeten sich und fragten, ob ich Assistenztrainer der U17 werden wolle. Ich dachte mir: Das Studium kann noch ein Jahr warten. Also sagte ich zu. Und rückblickend: Es war ein Zufall, aber ein guter.“

Er merkte schnell: Das Trainerdasein lag ihm.

„Ich war schon als Kind oft Captain. Wenn Verantwortung verteilt wurde, landete sie bei mir. Das wurde mir erst im Nachhinein so richtig klar.“

Sein erstes Jahr als Coach absolvierte er mit Cantoni und Tuomo Kärki – letzterer brachte ihn auf eine Idee, die sein Leben erneut verändern sollte:

„Tuomo erzählte mir von der Coaching & Management School in Vierumäki, Finnland. Eine Top-Adresse, die jedes Jahr aus allen Bewerbern nur rund 20 Personen auswählt. Ich habe mich beworben – Briefe geschrieben, Präsentationsvideos aufgenommen, Interviews geführt … und wurde genommen!“

Wohnung gefunden, Trainerjob bei einer U18-B2-Mannschaft organisiert – der nächste Schritt war bereit. Ein neuer Traum begann.

„Ich wollte drei Jahre studieren – und bekam stattdessen meinen Traumjob.“
Warum Luca Gianinazzi seine Koffer für Finnland schon gepackt hatte – und dann doch in Lugano blieb.

Was ist aus dem Studium in Finnland geworden?

„Andy, ich weiss schon, worauf du hinauswillst“ (lacht).
„Wie du gesehen hast, hatte sich meine Perspektive bereits während meines ersten Jahres bei der U17 verschoben. Ich war eigentlich auf dem Weg nach Finnland – Coaching & Management School in Vierumäki, alles organisiert: Wohnung, Team, Plan. Aber zwei Wochen vor der Abreise riefen mich der Sportchef und der CEO von Lugano an.“

Was dann folgte, war ein Wendepunkt.

„Sie sagten mir, dass der kanadische Trainer, der für die U20 vorgesehen war, Probleme mit dem Visum hätte – und dass sie mich als möglichen Cheftrainer in Betracht zögen. Sie betonten, dass ich natürlich Nein sagen könne, aber dass sie es nicht fair fänden, mir diese Chance nicht aufzuzeigen.“

Luca bat um Bedenkzeit – aber er wusste sofort, was zu tun war.

„Ich sagte, ich würde nachdenken. Aber ehrlich: Innerlich wusste ich nach vier Sekunden, dass ich es machen würde. Ich wollte nach Finnland, um den Weg in den Profibereich zu öffnen – und jetzt ging dieses Fenster direkt hier auf. Also habe ich das Finnland-Projekt abgebrochen und mit der U20 in Lugano begonnen, mit Paolo Morini als meinem Assistenten.“

Wie lief es bei der U20-Elite?

„Das erste Jahr? Hart. Wir haben 12 der ersten 13 Spiele verloren. Die Playoffs knapp verpasst. Kein schöner Start.“

Trotzdem liess er sich nicht entmutigen.

„Im zweiten Jahr wurden wir Zweiter in der Quali und kamen bis ins Halbfinale.
Im dritten Jahr: wieder Zweiter – aber keine Playoffs wegen Covid.
Im vierten Jahr: erneut Platz zwei und Finalniederlage gegen Zug.
Im fünften Jahr begann ich die Saison, wurde aber im Oktober zur ersten Mannschaft berufen. Die U20 schaffte erneut das Finale – und verlor wieder.“

Wie ist das, wenn man als junger Coach gleich mit so vielen Niederlagen startet?

„Ich habe keine guten Erinnerungen an diese Anfangszeit. Aber offenbar hat’s mich nicht abgeschreckt“ (lacht).
„Man fühlt sich zu 100 % verantwortlich – und das ist auch gut so. Trotzdem glaube ich: Die Rolle des Trainers wird oft überschätzt. Ich kann motivieren, ein System vorgeben – aber die Leistung auf dem Eis gehört den Spielern.“

Für ihn zählt vor allem eines: Vorbild zu sein.

„Gerade bei jungen Spielern ist es entscheidend, was du als Mensch vermittelst. Es geht nicht nur um Taktik – es geht darum, wer du bist.“

Trainer als Dirigent – ist das ein gutes Bild?

„Früher war der Trainer eher autoritär: Er hatte das Sagen – Punkt. Heute sehe ich das anders. Wir streben als Trainer und Spieler dasselbe Ziel an. Ich treffe die Entscheidungen, ja – aber wir ziehen am selben Strang. Es geht um Zusammenarbeit, nicht um Hierarchie.“

„Kommunikation ist mehr als nur Worte – sie muss echt sein“
Warum Trainer authentisch bleiben sollten – und wie sie trotzdem täglich dazulernen

Auf die Frage, ob man als Trainer das Sprechen vor der Mannschaft lernen muss oder ob das „natürlich“ kommt, antwortet Luca Gianinazzi:

„Ich denke, es ist beides. Einerseits ist Kommunikation spontan – man muss man selbst sein. Wenn man versucht, einen anderen Trainer zu kopieren, etwa jemanden, den man auf YouTube gesehen hat, oder sich vor einen Spiegel stellt und ihn imitiert, dann funktioniert das auf Dauer nicht. Das ist nicht nachhaltig.“

Gleichzeitig hält Luca das ständige Lernen für essenziell:

„Man muss sich weiterbilden, sich inspirieren lassen und neue Ideen sammeln. Ich lese viel – Führungsliteratur, Biografien von Trainern und Sportlern. Neugier und der Wunsch zu lernen treiben mich an – das mache ich nicht nur als Trainer, sondern als leidenschaftlicher Student des Eishockeys und des Lebens.“

„Taktik ist mehr als ein Spielsystem“
Luca über die technische Faszination und das Tempo im modernen Eishockey

Als Kenner der taktischen Aspekte erklärt Luca, wie sehr ihn die Vielfalt und Dynamik des Spiels begeistert:

„In der Schweizer Nationalliga gibt es 14 Teams – und 14 verschiedene Spielsysteme. Es gibt kein richtig oder falsch. Für mich ist es spannend zu verstehen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden und warum manche Dinge funktionieren, andere nicht.“

Seine Faszination gilt besonders der Balance zwischen Technik und Spontanität:

„Eishockey ist ein schnelles, flüssiges Spiel. Viele Dinge passieren nicht durch starre Taktik, sondern durch ständige Wiederholung. Man sieht bei zwei Teams unterschiedliche Systeme, aber viele ähnliche Elemente. Man hat keine Zeit, auf der Bank Set Plays zu rufen, wie im American Football. Das macht es so faszinierend – man versucht, ein Spiel zu strukturieren, das von Natur aus nicht strukturiert ist.“

Schliesslich fasst Luca zusammen, was für ihn als Coach zählt:

„Es geht um die Balance zwischen Technik und Motivation. Wie viel kann man durch Taktik gewinnen, und wie viel nur durch Einsatz? Wie interpretiert man das Spiel? Und vor allem: Wie bringt man sein eigenes Wesen als Coach ein?“

„Taktik oder Motivation? Die Balance ist die grosse Herausforderung“
Luca Gianinazzi über die Grenzen taktischer Perfektion und die Vielfalt der Spielertypen

Auf die Frage, ob Taktik oder Motivation wichtiger sei, zeigt Luca sich differenziert:

„Ich hatte Trainer, die taktisch brillant waren, und andere, die vor allem motivieren konnten. Aber ein Trainer kann nie alle Spieler gleich erreichen.
Im Idealfall versteht die Mannschaft das System so gut, dass sie nicht mehr denken muss – doch das ist schwer zu erreichen. Heute arbeiten wir viel mit Videos, um Spielsituationen zu veranschaulichen. Aber ich erwarte nicht, dass ein Spieler, der einen Clip einmal oder zweimal gesehen hat, sofort alles verinnerlicht. Das wäre unrealistisch.“

Er betont den nötigen Pragmatismus:

„Als Trainer muss man sich daran erinnern, dass Lernen Zeit braucht. Deshalb ist es schwer zu sagen, welche Komponente wichtiger ist – Taktik oder Motivation. Beide sind entscheidend, und das Gleichgewicht hängt von der Mannschaft und den Spielern ab.“

„Trainer ohne Profi-Erfahrung? Kein Problem!“
Warum hoher Spiel-Level nicht zwingend Trainerqualitäten voraussetzt

Auch zur Frage, ob man ein guter Spieler gewesen sein muss, um ein guter Trainer zu sein, hat Luca eine klare Meinung:

„Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, auf hohem Niveau gespielt zu haben. Im Fussball gibt es viele Trainer, die nie selbst Profi waren – auch wenn ich mir schwer vorstellen kann, dass zum Beispiel Mourinho nie gegen einen Ball getreten hat.
Natürlich braucht man als Trainer ein gewisses Grundverständnis, etwa für das Schlittschuhlaufen im Eishockey. Aber die Fähigkeit, ein Spiel taktisch und menschlich zu führen, ist etwas anderes.“

Er gibt auch offen Einblick in seinen eigenen Weg:

„Ich selbst habe nie auf hohem Niveau gespielt, nur in der Serie B. Im Vergleich zu anderen Trainern, die ich hatte, war meine Spielerkarriere eher bescheiden. Trotzdem habe ich mich als Trainer entwickelt.“

„Fokus auf die Verteidigung? Nein, heute coache ich das ganze Team“
Luca Gianinazzi über seine Entwicklung als Trainer und die Rolle früherer Spielerpositionen

Auf die Frage, ob er als ehemaliger Verteidiger heute besonderen Fokus auf diese Position legt, antwortet Luca:

„Früher, als ich noch die U17 betreut habe, war es ganz natürlich, dass ich mich vor allem um die Verteidigung gekümmert habe. Aber mit der Zeit und auf höheren Ebenen, etwa bei der U20 oder in der Nationalliga A, hat sich das geändert.
Heute arbeite ich gerne mit allen Mannschaftsteilen zusammen – Coaching ist für mich Teamarbeit, und ich fühle mich wohl, wenn ich alle Abteilungen mitgestalten kann.“

„Mehr als nur Eiszeit: Die ganzheitliche Vorbereitung der heutigen Spieler“
Vom Krafttraining mit 14 bis 15 Jahren zu Ernährung, Yoga und Mentaltraining

Luca schildert, wie sich die sportliche Vorbereitung über die Jahre grundlegend gewandelt hat:

„Der Jugendbereich heute ist kaum noch mit damals vergleichbar – das ist wie Tag und Nacht. Es gibt viel mehr Wissen, Ressourcen und spezialisierte Trainer. Ich glaube, wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.
Was das Skill- und Athletiktraining betrifft, ist das Niveau heute mit dem von vor 15 Jahren nicht zu vergleichen.
Auch das Bewusstsein bei den Spielern ist gewachsen – körperliche und mentale Vorbereitung sind viel wichtiger geworden. Früher wurde ein freier Abend oft für geselliges Biertrinken genutzt, heute wissen die Spieler, wie wichtig Regeneration ist.
Kürzlich bei einem Sponsorenessen fiel auf, dass alle nur Wasser tranken – ohne Vorgabe. Das zeigt, wie sehr sich die Kultur verändert hat.“

„Als Fan? Das Spiel sehe ich immer noch als Trainer“
Wie Eishockey für Luca zur Berufung wurde

Abschliessend gefragt, ob er sich ein Spiel auch mal als reiner Fan anschauen kann, lacht Luca:

„Ich glaube, das kann ich gar nicht mehr. Selbst zu Hause mit meinen Kindern drücke ich öfter mal die ‚Rückspultaste‘, um Spielsituationen nochmal anzuschauen. Das ist ganz natürlich für mich geworden – ich kann das nicht abstellen.
Wenn ich zum Beispiel aus beruflichen Gründen ein Playoff-Spiel in Finnland anschaue, konzentriere ich mich automatisch auf die Taktik und Details.“

Abschliessende Worte
Ein Dankeschön an Luca für das Gespräch

„Vielen Dank für deine Zeit, Luca. Es war ein Vergnügen, mit dir zu sprechen und mehr über deine Geschichte und deinen Blick auf den Eishockeysport zu erfahren. Du hast uns gezeigt, wie tief dein Verständnis für das Spiel ist, und wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg!“

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1 Kommentar

Luca un grande uomo merita il meglio per la sua vita e la sua carriera 💪👏👏😘

Cleofe Soldini

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